• Globales Lernen

„Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist immer besonders“

Rolf Witte 1 Globales Lernen

Vier Worte, eine klare Botschaft: jugend.kultur.austausch global – Unter diesem Motto arbeiten seit März 2017 die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ) und Engagement Global zusammen. Im Rahmen des Programms „weltwärts Begegnungen“ berät und unterstützt die BKJ Träger aus dem Bereich der kulturellen Bildung bei Partnerschaften und Projekten mit Ländern des Globalen Südens. Im Fokus stehen der außerschulische Austausch von Jugendgruppen und die Auseinandersetzung mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030. Wir sprachen mit Rolf Witte, Leiter Kulturelle Bildung International der BKJ.

Rolf Witte, Leiter Kulturelle Bildung International der BKJ.
Rolf Witte, Leiter Kulturelle Bildung International der BKJ.

Der Begriff „Kulturelle Bildung“ hat in Deutschland seit einigen Jahren Hochkonjunktur. Was bedeutet dieser Begriff für Sie?

Kulturelle Bildung hat in Deutschland und in vielen anderen Ländern in den letzten 15 Jahren tatsächlich erheblich an Akzeptanz gewonnen – auch wenn sich das lange noch nicht überall zum Beispiel in ausreichender Förderung widerspiegelt. Der nachhaltige Bildungserfolg kulturpädagogischer Angebote beruht auf einem Handlungskonzept, das auf Persönlichkeitsentwicklung mit und in den Künsten zielt, wobei diesem Konzept natürlich ein sehr weiter Begriff von den Künsten zugrunde liegt. Wenn wir den in andere Sprachen so schwer zu übersetzenden deutschen Begriff „Bildung“ ernst nehmen, dann ist Kulturelle Bildung zuerst und vor allem Selbstbildung, Persönlichkeitsbildung, und nicht Bildung zu anderen, übergeordneten Zwecken, so nützlich diese auch sein mögen. Deshalb ist uns als jugendpolitisch verortete Organisation jeder einzelne junge Mensch so wichtig. Denn letztlich muss er oder sie selbst den eigenen Bildungs- und Lebensweg in der Gesellschaft finden und mitgestalten. Um dazu Mut zu machen setzt Kulturelle Bildung an den Stärken an, die in jedem schlummern. Die eigenen Talente und Begabungen auch in komplexen Lebenssituationen entdecken und einsetzen zu können, das ist aus meiner Sicht eine wichtige Zielsetzung eines jeden kulturellen Bildungsvorhabens.

Die 2016 ins Leben gerufene Förderlinie „weltwärts Begegnungen“ fördert ausschließlich Projekte, die sich inhaltlich konkret mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung auseinandersetzen. Wie kann kulturelle Bildung zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen?

Zuerst können verschiedenste Formen von kulturellen Bildungsprojekten natürlich junge Menschen für die Nachhaltigkeitsziele sensibilisieren und dazu muss man noch nicht einmal ein grenzüberschreitendes Begegnungsprojekt planen. Insofern sehen wir unsere Aufgabe auch darin, im Rahmen der aktuellen Zusammenarbeit mit Engagement Global, mehr aktive Auseinandersetzung mit den Nachhaltigkeitszielen in der breiten Szene der Kulturellen Bildung in Deutschland anzuregen. Gleichzeitig kann unser Arbeitsfeld aber sicherlich zu Querschnittsthemen wie Inklusion, Gender, kulturelle Diversität auch selbst gute Konzepte und Praxisbeispiele beitragen, die in den letzten Jahren an verschiedensten Orten entwickelt und erprobt wurden. Und letztlich können partnerschaftlich geplante und durchgeführte Begegnungsprojekte mit Partnern aus dem Globalen Süden für junge Menschen einen ganz wertvollen Beitrag dazu leisten, die Nachhaltigkeitsziele in ihrer ganzen Komplexität und Differenziertheit zu erfassen und darauf aufbauend weiter aktiv zu werden. Denn gerade künstlerische Herangehensweisen ermöglichen es den jungen Menschen, vielschichtige und vielfältige Betrachtungs- und Darstellungsformen auszuprobieren und selbst neu zu entwickeln. Und dies gemeinsam mit den Jugendlichen aus dem jeweiligen Partnerland, die naturgemäß ganz andere Erfahrungen und Ansichten rund um die Nachhaltigkeitsziele mitbringen.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Projekten mit afrikanischen Partnern. Was macht die Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern so besonders?

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eigentlich immer besonders, sowohl für die jugendlichen Teilnehmenden als auch für die mitwirkenden Leitungspersonen. Aber andererseits ist auch jedes lokale Vorhaben der Kulturellen Bildung besonders, denn es geht dabei um Lern- und Erfahrungsprozesse, die nicht einfach eine Woche später wiederholt werden können. Und es geht nicht um inhaltliche Vorträge zur Wissensvermittlung, die man einfach jeden Monat mit anderen Jugendlichen wieder ‚abspulen‘ kann. Angesichts dieser inneren Logik der Herangehensweise von Akteuren der Kulturellen Bildung tue ich mich schwer mit der Zuschreibung ‚Afrika‘ und ‚besonders‘. Was natürlich der Fall ist, ist die Tatsache, dass viele Akteure auch in unserem Arbeitsfeld (wie in unserer ganzen Gesellschaft) viel zu wenig über die Länder und Menschen sowie über den ganzen Kontinent Afrika wissen. Auch bei uns gibt es natürlich Kolleg*innen, die tendenziell Gefahr laufen, den Exotismus oder die Vorstellung vom trommelnden Afrikaner als Ausgangspunkt ihrer Herangehensweise zu nehmen. Hier wird unsere Beratungsarbeit sehr wichtig, um ein Bewusstsein zu schaffen, das die Begrenztheit des eigenen Wissens bewusst macht und Wege zu einem solideren Wissen über globale Zusammenhänge aufzeigt. Wir gehen davon aus, dass hier auch unsere Vernetzungstreffen eine wichtige Rolle spielen werden, bei denen wir auch zwischen unerfahrenen und erfahrenen Akteuren des Austauschs mit Partnern im Globalen Süden ein peer learning ermöglichen werden. In unserem Feld ist das erfahrungsgemäß eine der effektivsten Fortbildungsmethoden.

Gibt es Mitgliedsorganisationen der BKJ, die sich besonders für eine Kooperation mit afrikanischen Partnerorganisationen interessieren?

Einer der Gründe, warum wir uns schon in die Entstehung des Programms „weltwärts Begegnungen“ beratend eingebracht haben, ist die Tatsache, dass wir in den letzten 10 Jahren ein deutlich steigendes Interesse an der Zusammenarbeit mit Partnern aus dem Globalen Süden feststellen konnten. Und dabei spielten auch afrikanische Länder immer wieder eine Rolle. So haben wir z.B. mehrere lokale Kinder- und Jugendzirkusse bei ihren Vorhaben mit Partnern aus verschiedenen afrikanischen Ländern unterstützt. Theaterpädagogische Projekte von lokalen Jugendtheatergruppen gab es in den letzten Jahren z.B. mit Partnern aus Kamerun, Südafrika und der Elfenbeinküste. Eine unserer bundesweiten theaterpädagogischen Mitgliedsorganisationen ist seit vielen Jahren mit Partnern aus Ghana aktiv. Es gibt also auf jeden Fall Träger in unserem Bereich, für die das neue Programm „weltwärts Begegnungen“ auf den ersten Blick wie geschaffen ist und die jetzt auch bereits mitten in der Projektentwicklung und Antragstellung stecken.

Welche neuen Möglichkeiten sehen Sie – im Unterschied zu den bisherigen Förderangeboten durch weltwärts-Begegnungen?

Wir haben es als Organisation aus dem jugendpolitischen Bereich in den letzten Jahren ja vor allem mit dem Programm Internationale Jugendarbeit des Bundesjugendministeriums zu tun gehabt, aus dem wir Gelder für die Förderung einzelner Begegnungsphasen an die Träger weitergeben konnten. Wir betonen in der Beratung der Träger immer sehr, dass es bei von „weltwärts Begegnungen“ geförderten Vorhaben um bis zu zweijährige Partnerschaften geht und nicht nur um die einzelne tolle Begegnung. Ehrlich gesagt, war ich sogar ein wenig enttäuscht, als bekannt wurde, dass das Programm „weltwärts Begegnungen“ heißen soll. Denn aus meiner Sicht würde eigentlich „weltwärts Partnerschaften“ besser passen und deutlicher den Unterschied zu anderen Förderprogrammen hervorheben, der ja erfreulicherweise gegeben ist. Die Tatsache, dass eine aus mehreren Bausteinen und Begegnungen bestehende Partnerschaft mit allen auch zwischen den Begegnungen anfallenden Arbeitsschritten gefördert werden kann, ist aus meiner Sicht sehr hoch einzuschätzen – auch wenn dadurch natürlich die Antragstellung wieder etwas aufwändiger ausfallen muss. Und natürlich ist es sehr zu begrüßen, das für die beiden Arbeitsfelder Jugendarbeit im Sport und Kulturelle Bildung eine das Programm begleitende Beratungsstruktur aufgebaut wurde, die von allen Interessierten aus diesen riesengroßen Arbeitsfeldern unkompliziert in Anspruch genommen werden kann. Denn alle in den letzten Jahren durchgeführten Befragungen von Trägern der Jugendarbeit haben ergeben, dass sie ganz genau das brauchen, um sich auf den Weg der Vorbereitung eines internationalen Austauschs zu machen: Beratung, Begleitung und Qualifizierung. Grenzüberschreitende Begegnungen – und ganz besonders längerfristige Vorhaben mit Partnern aus dem Globalen Süden – sind so komplexe und aufwändige Vorhaben, die Ehren- und Hauptamtliche in kleinen Institutionen und Vereinen mit ihren jungen Menschen vor Ort nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln können. Denen greifen wir als BKJ gerne unter die Arme.

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Gustav Sucher

Hallo, wenn Projekte über die Grenzen gehen, dann wird es besonders komplex. Die Kommunikation bedarf sich oft auch einer mehrsprachigen Verständigung. Nachhaltigkeit ist dennoch sehr wichtig und sollte nicht außer Acht gelassen werden. Danke für den guten Blog Artikel zum Thema Projektentwicklung!

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